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BLAMIERT bis auf die Knochen ...
Als Frau
Breuer an der Wohnungstüre von Meyers vorbei gehen will, wird sie ungewollt
Zeugin eines für sie interessanten Telefongespräches. Klar und
deutlich vernimmt sie Frau Meyers Stimme. „Ja, mit
zwei Veilchen kam er gestern nach Hause. Zweifarbig.
Blau und Lila. Nein, das hat Heiner lange Zeit nicht mehr gemacht. Ich war
auch ganz überrascht. Du kannst
mir glauben, mir fehlten glatt die Worte. Er sorgt
eben immer für neue Überraschungen. Nein, ich
weiß nicht. Es hat sich
vermutlich einfach so ergeben. Du weißt
ja, Heiner entflammt schnell. Er ist dann
nicht mehr zu halten. Nein, mag
ich überhaupt nicht. Er weiß es
eigentlich auch genau. Wahrscheinlich
konnte er sich einfach nicht zurückhalten. Er ist sogar
ein paar Mal aufgestanden diese Nacht, um sich die Veilchen anzusehen. Doch, doch,
das stimmt. Nein – ich
fasse es auch nicht. Eben! Nach
so vielen Jahren! Aber so sind
sie – die Männer. Wem sagst du
das? Ich weiß es
nicht. Die
Veilchen? Die halten sich bestimmt eine Weile! Am liebsten
hätte ich ihn mitsamt seiner Veilchen rausgeworfen. Sei froh!
Hat eben auch seine Vorteile, nicht wahr? Denk mal drüber nach! Sicher!
Stimmt! Hm! Mache
ich auch! Natürlich,
das kann ich dir versichern. Um Himmels
Willen, nein! Die beiden Veilchen reichen mir voll und ganz. Nein, kein
Bedarf! Gut. Ich
freue mich. Bis morgen, Hertha!“ Frau Breuer
grinst. „Ist ja
interessant. Muss ich gleich Frau Hanke erzählen. Nein!
- Die Meyer bekommt zwei Veilchen von ihrem Mann geschenkt. - Sie
mag doch gar keine Blumen. – Seltsam! -
Na, na – wer weiß, was der ausgefressen hat. Da hängt wohl der Haussegen
schief. Ja, ja, wenn man einmal hinter die Kulissen guckt, ...“ Eilig huscht
sie die Treppe herunter und schellt bei Hankes. Ungeduldig
umklammert sie mit beiden Händen den Henkel ihres Einkaufskorbes. Sie kann es
kaum abwarten, Karin die Neuigkeit mitzuteilen. „Mensch,
mach endlich auf, ich muss dir ...“
murmelt sie. „Guten
morgen, Mia!“ hört sie Frau Hankes Stimme. „Morgen
Karin! Kann ich kurz reinkommen? Du glaubst nicht, was ich gerade erfahren habe!
Pass auf!“ „Du bist
ja so aufgeregt! Was ist denn los?“ Frau Breuer
zieht die Augenbrauen hoch und sieht Frau Hanke triumphierend an. „Karin,
setz dich. Das haut dich glatt um, was ich dir jetzt erzähle.
– Es geht um
die Meyers. Ich habe vor zwei Minuten ein aufschlussreiches Telefongespräch von
Frau Meyer mitangehört. Unfreiwillig natürlich. Ich kam die Treppe herunter.
Es war bis draußen zu hören. – Die Meyers
– sie tun doch immer so, als würden sie eine vorbildliche Ehe führen, nicht
wahr?“ „Ja, und?
Tun sie auch, oder?“ „Eben
nicht! E r ha t
i h r gestern
Abend zwei Veilchen mitgebracht. Und das, obwohl er genau weiß, dass sie
Pflanzen nicht mag. Hast du schon einmal einen Blumentopf auf ihren Fensterbänken
gesehen? Oder einen Blumenstrauß auf dem Tisch? Ich nicht!“ „Stimmt!
Das Grünzeug macht nur unnötige Arbeit! Das ist ihre Devise!“ „Eben! Und
ihr Mann weiß es genau. Trotzdem kommt er mit dem „Gestrüpp“ zu ihr an.
Das spricht doch Bände! Der hat vermutlich etwas angestellt! Da bin ich mir
Hundertprozent sicher! Ihn plagt das schlechte Gewissen so sehr!“ „Aber
Veilchen, Mia – ich weiß nicht!
Wenn es rote Rosen gewesen wären ...“ „Um die späte
Zeit konnte er vermutlich nichts anderes mehr auftreiben. Die Veilchen hat er
vielleicht einfach so mitgehen lassen. Etwas besseres war wahrscheinlich nicht
griffbereit. Was weiß ich, woher
er sie hat?“ „Woraus
entnimmst du denn, dass die beiden ein Problem miteinander haben, Mia?“ „Na aus
dem Gespräch! Frau Meyer bekommt sonst nie Blumen von ihrem Mann. Sie hat
selbst bestätigt, dass er, also ihr Mann,
so etwas lange Zeit nicht mehr gemacht hätte und, dass sie ganz überrascht
sei. Und dann erwähnte sie noch – So sind sie eben, die Männer!“ „Du hast
da vielleicht etwas falsch verstanden, Mia! Ich habe noch nie gehört, dass sie
gestritten haben. Du weißt es selber, das Haus ist so hellhörig. Wir hätten
es vermutlich mitbekommen, wenn es bei Meyers laut zugegangen wäre.“ „Diesmal
haben wir es eben alle nicht gehört, Karin. Ich gehe jede Wette ein, dass da
„der Wurm“ drin ist. – Aber
nun muss ich mich beeilen, sonst
bekomme ich nichts mehr eingekauft.“ „Warte
einen Moment, ich gehe mit!“ Als Frau
Hanke und Frau Breuer den nahegelegenen Supermarkt betreten, sehen sie Frau
Meyer am Gemüsestand stehen. Die beiden
Frauen sehen sich vielversprechend an und gehen zielstrebig auf Meyer zu. „Guten
Tag, Frau Meyer“, sagen sie im Chor. „Das Gemüse
sieht gut aus, heute! Finden Sie nicht auch Frau Meyer?“ Frau Breuer
sieht sie freundlich lächelnd an. „Ja,
allerdings. Ich nehme mir einen Blumenkohl mit“,
fährt Frau Hanke dazwischen. „Gemüse
lehnen Sie wohl nicht ab, Frau Meyer?“ hakt Frau Breuer nach. „Wieso?“ Frau Meyer
runzelt erstaunt die Stirn. „Mein Mann
und ich essen viel Gemüse. Wegen der Vitamine.“ „Ach
ja?“ Frau Breuer
blickt Frau Hanke amüsiert an. „Natürlich!
Ich habe mich geirrt! Pflanzen. Es waren ja Pflanzen, die sie total ablehnen.
„ Frau Meyer
schüttelt irritiert den Kopf. „Wie
kommen Sie denn plötzlich darauf? Ja – schon! Pflanzen sind nicht so mein
Ding. Die Pflege....“ „Eben! Und
trotzdem hat Ihr Mann Ihnen gestern Abend zwei Veilchen mitgebracht?“ „Was?!
Nein! Wie kommen Sie denn darauf? So etwas würde er niemals machen! Er bringt
mir keine Blumen mit. Es wäre ja auch völlig umsonst.“ „Aber
gestern hat er es gemacht. Sie haben es am Telefon selbst gesagt!“ „Am
Telefon?“ Frau Meyer
reißt die Augen weit auf und starrt Frau Breuer sprachlos an. „Ja, am
Telefon!“ fährt Frau Breuer fort. „Ich wurde unfreiwillig Zeugin ihres
Telefongespräches, das sie vor einer halben Stunde geführt haben. Es war bis
ins Treppenhaus zu hören. Tut mir leid, aber ...“ „Ach so,
das Gespräch von vorhin!“ Frau Meyer
schlägt sich mit rechten Hand gegen die Stirn. „Ja, Frau
Breuer, da muss ich Sie wohl einmal aufklären. Sie haben da etwas falsch
verstanden!“ „Wieso?
Das verstehe ich nicht! Was kann man bei Veilchen falsch verstehen?“ „Einiges,
Frau Breuer. Es ist nicht so gewesen, wie Sie es glauben. Mein Mann hat mir
weder Veilchen mitgebracht, noch haben wir Streit, wie Sie wahrscheinlich
vermutet haben. Nein!“ „Nein?“ Frau Hanke,
die sich bisher aus der Unterhaltung heraus gehalten hatte, beteiligt sich nun
an dem Gespräch. „Warum erwähnten
Sie denn dann am Telefon andauernd das Wort „Veilchen“? Ich muss Frau Breuer
recht geben, ihre Vermutung liegt doch nahe.“ „Und wenn
es so gewesen wäre, ginge es Sie beide überhaupt nichts an, oder? Mein Mann
kam zwar mit zwei Veilchen nach Hause, aber es handelt sich um andere Veilchen,
als die, die Sie meinen. – Mein Mann
hat seinen Freund verteidigt, der gestern Abend auf dem Nachhauseweg von zwei
jungen Männern angegriffen wurde. Dabei hat er sich zwei blaue Augen geholt.
Heute morgen ist er gleich zum Arzt gegangen.“ „Oh,
Entschuldigung!“ entfährt es Frau Breuer und Frau Hanke. „ Da sind
wir aber froh! Sie und Ihr Mann sind so angenehme Hausbewohner.
Es hätte uns furchtbar leid getan, wenn es in Ihrer Ehe ernsthafte
Schwierigkeiten gegeben hätte. Man macht sich eben als mitfühlender
Hausbewohner so seine Gedanken.“ Frau Breuer
und Frau Hanke nicken sich gegenseitig zu. „Die Sorge
kann ich Ihnen ja zum Glück nehmen.“ Frau Meyer
schmunzelt und wendet sich wieder dem Gemüse zu. Sie kennt
die Frauen seit sieben Jahren genau und hört deutlich die Enttäuschung in
ihren Stimmen. Zu gerne hätten sie in der Nachbarschaft und im Haus herum erzählt,
was sich in den vier Wänden der Meyers tatsächlich abspielt, wo sie doch nach
außen stets das harmonische, vorbildhafte Ehepaar abgeben. Frau Hanke
zieht Frau Breuer ein wenig zur Seite. „Da hast
du uns ja in eine peinliche Situation gebracht, Mia! Meine Güte!“ „Ich
konnte nicht ahnen, dass sie von „blauen Augen“ sprach. Das ging auch aus
dem Gespräch nicht hervor.“ „Trotzdem!
Sei beim nächsten Mal vorsichtiger in deinen Äußerungen, damit solch ein
Missverständnis nicht noch einmal so eine unangenehme Situation herauf beschwört.“ Frau Breuer
nickt stumm. © Helga Salfer |