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Der Kunde ist König
Kritisch
besieht Frau Hansen sich den Sportschuh
an ihrem linken Fuß. „Wenn Sie
den jetzt noch in schwarz hätten ....“ „Kann ich
Ihnen gern zeigen. Er müsste in Ihrer Größe in schwarz noch einmal da
sein.“ „Ach, das
wäre wunderbar. Er ist so bequem. Wissen Sie, ich habe seit einigen Jahren
Probleme mit den Füßen, da bin ich immer froh, wenn ich Schuhe finde, in denen
ich gut laufen kann. Es ist schwierig, äußerst schwierig.“ „Ich hole
Ihnen das Paar in schwarz.“ Drei Minuten
später steht die Verkäuferin mit
den schwarzen Schuhen im Arm vor der Kundin und schaut sie erwartungsvoll an. Mit
zusammengekniffenen Augen blickt Frau Hansen die Schuhe an und schüttelt den
Kopf. „Nein,
nein. Schwarz ist keine Farbe für mich. Überhaupt nicht. Und erst recht im
Sommer trage ich lieber helle Farben.“ „Ja, aber
Sie wollten den Schuh doch gerade in schwarzem Leder haben! Oder hatte ich mich
verhört?“ „Schwarz?
Das ist unmöglich, junge Frau. Ich trage nie schwarze Schuhe. Wie kommen Sie
darauf?“ „Aber Sie
haben mir gerade gesagt, dass ....“ „Bringen
Sie das Modell in beige. Ja! Beige ist gut!“ „Tut mir
leid! In beige habe ich diesen Sportschuh nicht vorrätig. Wir führen ihn nur
in zwei Farben: braun und schwarz. Ich könnte Ihnen allerdings ein anderes
Modell zeigen, auch sehr gut verarbeitet, weiches Leder und superbequem.“ „Na ja, zeigen Sie es mir bitte.“ Die Verkäuferin
stellt die schwarzen Schuhe neben Frau Hansen ab. Als sie mit
zwei Paar hellfarbenen Sportschuhen in der Hand zurückkommt, hält Frau Hansen
den schwarzen Schuh in der Hand und beäugt ihn kritisch von allen Seiten. „So, hier
hätten wir zwei beige Modelle. Ich garantiere Ihnen, darin laufen Sie wie in
Pantoffeln. Wollen Sie sie gleich einmal anprobieren?“ „Abwehrend
streckt Frau Hansen beide Arme aus. „Die sind
aber hell. So etwas trage ich gar nicht. So was neumodisches!“ „Wieso
neumodisch?! Helle Schuhe sind nichts besonderes! Die trägt doch jede Frau im
Sommer!“ „Kommt
nicht in Frage. Zeigen Sie mir lieber etwas in braun.“ „In braun?
Sind Sie sicher, dass es braun sein soll?“ Frau Hansen
nickt stumm. Die Verkäuferin
verliert langsam die Geduld. Mit
Sicherheit will sie die braunen Schuhe gleich auch nicht haben, wenn ich sie ihr
geholt habe, denkt sie sich. Als Frau
Hansen jedoch die braunen Schuhe sieht, strahlen ihre Augen. „Ja, die
gefallen mir. Ich will sie kurz anprobieren.“ „Natürlich.
Warten Sie. Ich helfe Ihnen.“ Die Verkäuferin
atmet erleichtert auf. „Endlich!“
murmelt sie leise vor sich hin. Sekunden später hört sie Frau Hansens Stimme: „Die sehen
ja schrecklich aus. Glauben Sie etwa, dass ich solche Schuhe trage? Und die
Farbe!“ „Ihre
alten Schuhe sind aber auch braun. Ich dachte nun wirklich, braun sei ein Ton,
den sie mögen!“ „Woher
wollen Sie denn wissen, was ich mag?“ „Entschuldigung,
aber ich dachte, weil ....“ Frau Hansen
winkt ungeduldig ab. „Wieso
bringen Sie mir eigentlich immer Straßenschuhe? Ich brauche Hausschuhe. Führen
Sie eigentlich keine Hausschuhe? In so einem großen Schuhgeschäft! Nicht zu
fassen!“ „Natürlich
gibt es hier Hausschuhe. Aber Sie haben die ganze Zeit von Sportschuhen
geredet.“ „Ich habe
es mir anders überlegt. Ein Paar warme Hausschuhe hätte ich gern. Möglichst
von innen gefüttert. Ich leide sehr unter kalten Füßen. Durchblutungsstörungen.“ „Gerne!“
knurrt die Verkäuferin zurück. Sie zeigt
Frau Hansen ein Paar Hausschuhe aus weichem Leder mit warmem Innenfutter. „Das sind
ja Pantoffel! Da kann ich ja nicht mit auf die Straße gehen!“ „Nein, natürlich
nicht. Die sind nur für die Wohnung geeignet.“ „Ja das
nutzt mir aber nichts. Die sind ja auch viel zu warm. Jetzt um die Jahreszeit. Wieso haben
Sie denn keine vernünftigen Schuhe in Ihrem Geschäft? Ich brauche Schuhe, die
ich drinnen und draußen tragen kann.“ Die Verkäuferin
verdreht hilflos die Augen und atmet tief durch. „Probieren
Sie dieses Paar hier einmal.“ „Die sind
ja wieder braun!“ brummelt Frau Hansen. Doch dann lässt
sie sich beim Anziehen der Schuhe helfen. Plötzlich huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. „Ja! Die
sind wunderbar! Bequem und angenehm! Warum haben Sie mir dieses Modell nicht
sofort gezeigt? Die nehme ich! Was kosten sie?“ „Gar
nichts!“ erwidert die Verkäuferin mit gezwungenem Lächeln. „Es sind nämlich
ihre eigenen!“ |