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Der Querulant

 

 

Mit mürrischem Gesicht, einer Zigarre im linken Mundwinkel und den Händen in seinen ausgebeulten Anzugtaschen,  steht Bert Hansen vor seiner Haustüre.

Aus den Augenwinkeln beobachtet er den Hund seines Nachbarn, der laut bellend im Vorgarten sitzt.  Er mag den kleinen Kerl nicht, so wie Herr Hansen fast nichts und niemanden mag. Kein Lebewesen ist vor seinen sarkastischen Bemerkungen sicher. Er erfreut sich daher bei Mensch und Tier  keiner allzu großen Beliebtheit.

Heute will er mit Frau Mende ‚Tacheles’ reden.

Sie besitzt die Frechheit, ihren Wagen einfach vor Hansens Garage zu parken, wenn kein anderer Platz frei ist.

Obwohl er selbst sich stets das Recht nimmt, seinen großen BMW da abzustellen, wo es ihm beliebt. Er glaubt ganz einfach, nur er sei dazu privilegiert.

Bert  Hansen schnauft und bläst gereizt den Rauch seiner Zigarre aus. Ungeduldig blickt er dabei auf seine Armbanduhr.

„Wo bleibt dieses dumme Weib denn nur? Halb drei! Müsste längst da sein! Wehe, wenn die sich jetzt wieder vor meine Garage setzt! Viel Auswahl hat sie ja nicht. Sind fast alle Parkplätze besetzt.“

Er stellt sich auf die Zehenspitzen und reckt den Kopf nach vorne.

„Ach nee, da ganz hinten ist noch eine Lücke. Mal sehen, was sie macht.“

„Guten Tag, Herr Hansen! Suchen Sie etwas?“

Erschrocken dreht Bert sich um. Er hat Herrn Kramer überhaupt nicht gehört. Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf. Er, der sonst immer einen ironischen Spruch parat hat, ist  für einen Moment sprachlos.

„N – nein!“, stammelt er. Doch dann fängt er sich gleich wieder.

„Schleichen Sie sich immer wie ein Dieb von hinten an? Sie haben wohl was zu verbergen, wie?“

Herr Kramer zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt verständnislos den Kopf. Wortlos geht er an Herrn Hansen vorbei.

Dieser Mann ist und bleibt unverbesserlich.

„Blöder Hund“, murmelt Bert.  „Meint wohl, er wäre was besseres. Trägt immer die Nase so hoch. Und grüßt dann so scheinheilig. Dabei hat er es faustdick hinter den Ohren.“

„Flooocki! Flocki,  komm rein!“

Herr Hansen qualmt weiter vor sich hin. Die Zigarre hängt ihm lässig im Mundwinkel.

„Schreien Sie doch nicht so wegen dem blöden Vieh!

 Er wirft Frau Bauer einen verächtlichen Blick über die Schulter zu.

„Sie sind hier schließlich nicht allein. Ziehen Sie doch in den Wald, da können Sie nach ihrem Köter plärren, so viel, so oft und so laut, wie Sie wollen.“

Frau Bauer öffnet den Mund und will etwas erwidern. Aber dann winkt sie resigniert mit der Hand ab und schließt schnell die Türe.

„Mit dem Streithahn will ich nichts zu tun haben. Da ist jedes noch so kleine Wort zu viel“, sagt sie leicht gereizt vor sich hin.

„Hach, wie lange dauert das denn noch?“ Herr Hansen runzelt bedrohlich die Stirn.

Seine Geduld ist bald zuende. Langsam wird es ihm ungemütlich hier draußen. Er überlegt, ob er Frau Mende morgen abfangen soll ... dann überlegt er es sich wieder anders.

„Die soll heute ihre Lektion bekommen!“

Allein schon bei dem Gedanken an das bevorstehende Gespräch merkt Bert, wie sein Blutdruck steigt.

In seine Gedanken hinein hört er seine  Frau „Telefon, Bert* rufen.

Wie elektrisiert fährt er herum.

„Dumme Ziege, stör mich jetzt nicht. Hab keine Zeit!  Wer ist es denn?“ fragt er knurrend zurück.

 „Ein Herr Brandt!“

„Kenn ich nicht! Interessiert mich auch nicht! Leg einfach auf!“

„Geht nicht! Er will, nein, er sagt, er muss dich unbedingt sprechen!“

„Kann gar nicht sein. Frag ihn doch, was er will, dämliche Kuh!“

„Er behauptet, du hättest seinen Wagen beschä ....!“

„Waaaaaaaaas? Warte, ich komm!“

„Sind Sie Herr Bert Hansen?“ hört er eine energische Männerstimme sprechen.

„Ja, klar, wer denn sonst?! Schließlich haben Sie ja meine Telefonnummer gewählt! Glauben Sie, hier sei der heilige Geist? Da muss ich Sie enttäuschen!“

„Mein Name ist Brandt. Besitzen Sie einen BMW mit dem Kennzeichen B-WE-23?“

„Ja, geht Sie aber überhaupt nichts an.“

„Glaube schon, dass es mich etwas angeht. Sie wurden beobachtet, wie Sie gestern Abend in der Innenstadt auf der Ringstraße meinen Wagen beim Herausfahren aus der Parklücke leicht gerammt haben. Es ist nur ein kleiner Scha...“

„Woher wollen Sie denn wissen, dass ich gefahren bin?“

„Weil eine Passantin unmittelbar an ihrem Auto vorbei ging. Sie hat den Vorgang beobachtet und behauptet, sie kenne Sie sehr gut. Sie seien quasi Nachbarn.“

„Soooo?! Da bin ich aber neugierig. Wenn Sie schon so schlau sind, wissen Sie denn auch den Namen von dieser ehrenwerten Person?“

„Ja, den hat sie mir genannt.“

„Und? Ich platze vor Neugierde. Wer war es denn? Vermutlich kenne ich sie gar nicht. Mit Sicherheit hat sie einfach dumm daher geredet. Und Sie, Sie glauben ihr einfach diesen Schwachsinn!“

„Mende! Frau Mende heißt die nette Frau.“

„Me – Me – Mende????“ Herr Hansen verschlägt es für Sekunden die Sprache.

„Sagten Sie, Mende? Die Frau Mende? Die ich kenne?“

„Ja! Genau!“

„Diese blöde Ziege, olle Petze“, mault Bert ins Telefon.

„Sie hat mir ihre Telefonnummer und ihre Anschrift gegeben. Wenn Sie sich nicht augenblicklich im Ton mäßigen, zeige ich Sie wegen Fahrerflucht an. Überlegen Sie sich das gut, Herr Hansen. In einer halben Stunde bin bei Ihnen und dann wünsche ich Sie anzutreffen!“

Zornschnaubend beendet Bert das unerquickliche Telefongespräch.

Dieses Teufelsweib! Wer weiß, was die dem Kerl noch alles erzählt hat. Der werde ich Bescheid sagen. Mich verpfeifen und selbst ‚Dreck am Stecken’ haben ! Ha! Dick und fett vor meiner Garage ihren mickrigen Golf abstellen! Der werde ich helfen!!! Hoffentlich erwische ich Sie noch.

Ohne seiner Frau eine Erklärung abzugeben, eilt er wieder hinaus.

Als er es schon beinahe aufgibt, Frau Mende noch zu treffen, hört er plötzlich Stimmen, die näher kommen.

„Ha, endlich! Na warte es ab!“ Bert grinst hämisch.

Er erkennt die Stimme von Frau Mende und klatscht in die Hände.

„Jetzt geht es zur Sache, meine Liebe!“

Aber da ist noch ein männliche Stimme.

„Verflixt noch mal!“ entfährt es Bert. Und schon kommt der Mann mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.

„Brandt, Sie sind vermutlich Herr Hansen?“

Noch bevor Bert antworten kann, nickt Frau Mende ihm zu und sagt zu Herrn Brandt gewandt: „Ja, das ist Herr Hansen!“

Herr Hansen wirft ihr einen wütenden Blick zu.

„Ich kann mich schon selber vorstellen. Hätten Sie nicht gedacht, was? Blasen Sie sich mal nicht so auf, Frau Mende, wir sprechen uns noch!“

„Ja, richtig, Herr Hansen. An Ihre letzte Bemerkung möchte ich anknüpfen. Ich bin gekommen, um von Ihnen den Sachschaden beglichen zu bekommen. Und Frau Mende habe ich als Zeugin gleich mitgebracht.  Entweder wir einigen uns gütlich oder, wir sehen uns vor Gericht wieder.“

Drecksack, will Bert laut fluchen, als er im letzten Moment gerade noch erkennt, in dieser Sache auch verlieren zu können. Ihm wird bewusst, in der Person des Herrn Brandt einen ihm überlegenen Gegner sehen zu müssen. Das treibt ihm die Zornesröte geradezu ins Gesicht. Mit geballter Faust und kaum beherrschbarer Stimme fordert er Frau Mende und Herrn Brandt auf, sein Haus zu betreten.

   

© Helga Salfer