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Im Keller rumort es

Ein ungebetener Gast hat sich heimlich in den Keller der Familie Kramer eingenistet, ausgerechnet dort, wo Frau Kramer ihre sämtlichen Vorräte aufbewahrt.

Als sie am Vormittag den Vorratsraum betritt, hört sie verdächtige Geräusche. Durch lautes Schnaufen hat der Eindringling ungewollt auf sich aufmerksam gemacht.

Frau Kramer stockt der Atem. Ein Einbrecher – das muss ein Einbrecher sein! 

Sie fasst all ihren Mut zusammen. Mit bebender Stimme haucht sie ein - hallo, ist da jemand? –   Es rührt sich nichts. Auch das Schnaufen verstummt.

Das Tageslicht dringt nur schwach in den Raum. Aber Frau Kramer traut sich nicht, den Lichtschalter zu betätigen.

Komisch! Da muss doch jemand sein. Schweißperlen treten ihr auf die Stirn. Hoffentlich springt der Kerl nicht aus irgendeiner Ecke und hält mich  hier unten fest! 

Ich muss so schnell wie möglich die Polizei benachrichtigen.

Lautlos tastet sie sich auf Zehenspitzen gehend zur Tür. Vor Angst laufen ihr kalte Schauer   den Rücken herunter. In ihrer Panik greift sie neben die Türklinke und stößt mit dem Kopf gegen das Türblatt, wobei sie sich eine Beule zufügt. Mit angehaltenem Atem lauscht sie. Alles ist ruhig. Als sie den Türgriff schließlich zu fassen bekommt und aus dem Raum stürzt, vernimmt sie wieder dieses eigenartige Schnaufen.

Kurzerhand knallt sie die Türe zu und schließt sie umgehend ab.

Für einige Sekunden lehnt sie sich gegen die Tür. Ihr Herz klopft bis zum Hals.

Mit unsicheren Schritten geht sie die Kellertreppe hinauf. Sie lässt sich auf einen Stuhl sinken und versucht, sich ein wenig zu  beruhigen. Mit zitternder Hand greift sie zum Telefonhörer und wählt die Nummer der Polizeistation.

Mit brüchiger Stimme berichtet sie von dem Vorfall in ihrem Haus.

„Hallo, hallo! Hier ist ein Einbrecher im Haus! Im Keller! Im Vorratsraum! Sie müssen sofort kommen! Ich habe den Kerl im Keller eingesperrt! Er kann nicht weg!    Mein Name, ist doch egal! Nicht egal? Ach so, ja – ach ich bin ganz  durcheinander! Kramer, Frau Kramer! Wo? Ja, sagte ich doch bereits – im Keller, im Vorratsraum! Ach – Sie meinen wo ich wohne?

Meisenweg, Meisenweg 20. Aber beeilen Sie sich bitte!“

Nach dem Telefongespräch mit der Polizei, fühlt sich Frau Kramer ein wenig beruhigter. Gleich wird die Polizei hier sein, sagt sie sich. Dann wird alles gut. Bei diesen Gedanken macht sich sogleich Frau Kramers Neugier bemerkbar. Vorsichtig schleicht sie die Kellertreppe herunter und lauscht an der Tür zum Vorratsraum. Hier kann ihr ja nichts passieren. Sie legt das linke Ohr fest an die Tür, hört  jedoch nichts.

Nachdenklich schüttelt sie den Kopf. Es ist ihr unerklärlich, wie ein Fremder sich, von ihr unbemerkt, ins Haus schleichen konnte.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen geht sie leise wieder nach oben.  

Nach geraumer Zeit schellen zwei Polizisten an ihrer Haustür.

„Guten Tag! Sind Sie Frau Kramer? Bei Ihnen ist eingebrochen worden? Ist der Täter schon wieder weg?“

„Nein, nein! Er ist unten im Keller! Ich habe die Türe abgeschlossen. Er kann gar nicht heraus!“

„Na, da wollen wir ihm einmal einen Besuch abstatten!“

Im Keller packt Frau Kramer einen der Polizisten am Arm.

„Da – hören Sie? Da ist das Geräusch wieder!“ Sie tritt neben die beiden Beamten.

„Vorsicht, Frau Kramer! Gehen Sie einen Schritt zurück! Wir öffnen jetzt die Tür! Der Kerl da drinnen könnte bewaffnet sein!“

Das Schnaufen ist jetzt verstärkt zu hören. Einer der Polizisten geht dem Laut nach. Vor einem Regal bleibt er stehen.

Mit einem breiten Grinsen dreht er sich zu Frau Kramer um.

„Hier sitzt der Unruhestifter, sehen Sie selbst. Kein Grund zur Aufregung!“ Er zeigt auf das Regal in der Ecke.

„Was? Wo? Nehmen Sie den Mann fest!“

„Nein, nein, Frau Kramer! Sie brauchen sich nicht aufzuregen. Ihre Angst ist völlig unnötig. Schauen Sie! Er sitzt hier unter dem Regal!“

„Was? Unter dem Regal? Da passt doch kein Mensch drunter! Sie machen sich wohl lustig über mich?“

„Nein, im Ernst! Frau Kramer. Hier unter dem Regal sitzt der „Einbrecher. Es ist kein Mensch, sondern ein Tier.  -    Es ist ein kleiner Igel.“

„Ein was? Ein Igel? Das ist ja nicht zu fassen. Der hat solche Töne von sich gegeben?“

„Ja, ein Igel! Der arme Kerl hat sich wohl in Ihren Keller verirrt und nicht mehr herausgefunden.“

Frau Kramer starrt ungläubig auf das Stacheltier. Dieser kleine Geselle hatte sie fast zu Tode erschreckt.

Gemeinsam mit den Polizisten entlässt Frau Kramer den tierischen  Eindringling  umgehend wieder in die Freiheit.

 

© Helga Salfer