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Was des einen Freud ...

 

 

Der schwarze Kater Kasimir blinzelte seinen Freund, den Terrier Cäsar, schelmisch an.

„Bei Familie Mende gibt es heute knusprige Schnitzel zum Mittagessen! Vor zehn Minuten, als ich unter ihrem Küchenfenster entlang spazierte, habe ich gehört, wie Frau Mende sagte, dass das Fleisch gleich fertig gebraten sei. Na? Soll ich dir beweisen, wie mutig ich bin? Ich besorge uns das leckere Mahl aus Mendes Pfanne!  Und du schiebst hier Wache! Verstanden?“

„Du beziehst wieder Prügel, lass es lieber bleiben, mein Freund“, warf Cäsar ein und kratzte sich mit der linken Hinterpfote am Ohr. „Beim letzten Mal bist du knapp davon gekommen. Um ein Haar hätte dich der dicke Mende beim Genick gepackt und  Hackfleisch aus dir gemacht.“

„Ist doch alles gut gegangen. Ich werde es jetzt geschickter anstellen. Das Schlafzimmerfenster ist geöffnet und die Türe zum Flur ebenfalls. Ich habe es schließlich von der Fensterbank des Schlafzimmerfensters aus gesehen, wo ich mich vorhin gesonnt habe. So kann ich unbemerkt ins Haus schleichen und mir Zugang zur Küche verschaffen.“

„Ach, du dummer Kater! Hast du einmal daran gedacht, dass die Küchentüre geschlossen sein könnte? Dann stehst du in der Diele und kommst nicht weiter. Kannst ja miauen! Herr und Frau Mende werden dich sicher mit offenen Armen aufnehmen!“

 „Du immer mit deiner Schwarzmalerei. Kannst ja froh sein, dass du zu Hause so gut gefüttert wirst. Draußen würde einer wie du jämmerlich umkommen vor Hunger. Also mir läuft schon beim bloßen Gedanken an das köstliche Fleisch das Wasser im Maul

zusammen. Und erst mein Magen, der knurrt bereits.“

„Friss Mäuse! Hier laufen genügend herum.“ Cäsar streckte sich auf dem Boden aus und gähnte herzhaft.“

„Siehst du? Du gähnst schon vor lauter Hunger!“ Kasimir machte einen riesigen Katzenbuckel.

„Spinner!“ protestierte Cäsar. „Ich habe keinen Hunger, höchstens Appetit. Es sind nicht alle so gierig auf Futter wie du. Ich mache lieber ein Mittagsschläfchen.“

„Nichts da, mein lieber Freund! Du passt jetzt fein hier auf, während ich unser Mittagessen besorge. Sollst sehen, in zehn Minuten haben wir herrlich gebratenes Fleisch zwischen den Zähnen.“

Kasimir schnurrte vor Behagen.

„Also bis gleich! Gib nur ja acht und schlaf bloß nicht ein! Sonst fresse ich die Beute allein auf!“

Cäsar knurrte ein wenig und legte den Kopf auf seine beiden Vorderpfoten. Einen Moment blinzelte er noch in die Sonne. Dann fielen ihm die Augen zu.

Plötzlich hörte er laute Stimmen. Erschrocken riss er die Augen auf und entdeckte Kasimir, der mit zwei Schnitzeln im Maul aus Mendes Schlafzimmerfenster hinaus sprang.

„Mistvieh! Wenn ich dich kriege! Ich zieh dir das Fell über die Ohren!“

Frau Mende riss die Hautüre auf und rannte, mit einem Besen bewaffnet, hinaus. Kasimir landete knapp vor ihren Füßen auf dem Boden und bekam den unsanften Schlag des Besenstils zu spüren. Doch geschickt , wie Katzen nun einmal sind, gelang es ihm, seinem Verfolger zu entkommen. Die beiden Schnitzel fest im Biss machte er sich auf zu Cäsar. Aber er kam nur wenige Meter weit. Abrupt blieb er mitten auf dem Weg stehen. Seine Schwanzhaare stellten sich zu einer dicken Bürste auf.

 Das hatte ihm nun gerade noch gefehlt! Nun war er in einer Falle!

Was war geschehen?

Kasimirs Erzfeind, Nessy, der schwarze Köter von Mendes Nachbarn,  stellte sich ihm knurrend in den Weg. Schon so manches Mal hatte Kasimir  schlechte Erfahrungen mit diesem Tier gemacht. Jetzt sah es wieder nicht gut aus für ihn. Kampflos würde er an Nessy nicht vorbei kommen, denn der fletschte bereits angriffsfreudig die Zähne. Auch roch er das köstliche Fleisch. Ein Grund mehr, Kasimir  aufzuhalten.

„Fang ihn, fang ihn!“ rief Frau Mende ihrem Mann zu.

Eilige Schritte näherten sich. Gleich würden  riesige Hände nach ihm greifen und versuchen, ihn zu packen.

Ich muss hier ganz schnell weg, ging es Kasimir durch den Katzenkopf. Egal wie! Und wenn die Schnitzel dabei verloren gehen. Lieber auf den Leckerbissen verzichten, als Mendes nach diesem Diebstahl in die Hände zu fallen.

Kurzentschlossen ließ er das Fleisch aus seinem Maul auf den Boden fallen. Nessy, der dem  ihm so mühelos überlassenen „Futter“  nicht wiederstehen konnte,  machte einen Satz und schnappte sich die Beute, ohne noch einen weiteren Blick auf Kasimir zu werfen, der blitzschnell ins nahegelegene Gebüsch des Vorgartens gesprungen war und sich dort  in Sicherheit gebracht hatte. Hier war er wenigstens im Moment  vor Mendes Zugriff geschützt. Doch wirre Gedanken gingen ihm im Kopf herum.

Wie stehe ich jetzt vor Cäsar da? Er hat mich vorhin noch  gewarnt. Peinlich! Ich mag ihm gar nicht mehr unter die Augen treten! Auslachen wird er mich! Laut auslachen! Und verspotten! Oh je!

Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie Nessy die Schnitzel genüsslich verspeiste.

Der Kerl hat es jetzt gut!  Er braucht sich vor Mende nicht zu fürchten, denn der macht ja sowieso  jedes Mal einen großen Bogen um ihn, wenn er ihm draußen begegnet.

Cäsar hatte das ganze Theater aus der Ferne betrachtet und kratzte sich mit der Hinterpfote wieder am linken Ohr.

Ich habe es gewusst! Es gibt immer irgendwelche Probleme mit Kasimir! Aber der Kater will ja nicht auf mich hören.

Seine Schadenfreude über seinen Freund war so groß, dass er über sein ganzes Hundegesicht grinste.

 

  © Helga Salfer