Diese Geschichte jetzt auch als download pdf
Wer die Wahl hat, ...
Mit
zusammengekniffenen Augen betrachtet Frau Hansen das Doppelbett von allen Seiten. Ihr Misstrauen steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Also
Albert, ich weiß nicht so recht. Diese modernen Dinger halten doch nichts aus.
Wenn ich da an unsere Betten denke, die inzwischen fünfunddreißig Jahre alt
sind ... Stabiles
Holz, beste Verarbeitung. Eben langes Haltbarkeitsdatum.“ „Na
- nun
übertreibst
du aber ein wenig, Berta. Bei deinem Gewicht ächzen und stöhnen doch bereits
alle vier Füße unseres Bettgestells, wenn du
dich abends hinlegst.“ „Pah“,
das liegt wohl eher daran, wenn du mitten in der Nacht schwankend von deinem
Skatabend nach Hause kommst und dich wie ein Mehlsack ins Bett plumpsen lässt.“ „Also wenn
Ihnen das Bett hier nicht zusagt“, unterbricht sie der junge Möbelverkäufer
höflich, „ hätte ich Ihnen noch ein sehr schönes Modell anzubieten: Buche
massiv. Beste Qualität und einwandfreie Verarbeitung. Eben
etwas für besonders anspruchsvolle Kunden wie Sie es sind.“ Frau Hansen
rückt sich ihre Brille zurecht und nimmt das neue Objekt mit gerunzelter Stirn
in Augenschein. Mit der
rechten Hand befühlt sie die Holzoberfläche. „Kopf- und
Fußende sind mir zu flach. Da verliert man ja nachts das Bettzeug“, sagt sie
zu dem Verkäufer gewandt. „Quatsch“,
wirft ihr Mann ein. „Lern endlich einmal ruhig zu schlafen und nicht ständig
wie ein Maulwurf im Bett zu wühlen. Wir können doch für dich nicht extra ein
Bett kaufen, was gebaut ist wie eine Kiste. Kannst ja gleich in der Truhe im
Flur schlafen. Also mir gefällt das Bett.“ „Wenn ich
Sie unterbrechen darf, dann haben
Sie wohl eher an Betten im Bauernstil gedacht. So etwas haben wir leider ....“ „Ach!“
Frau Hansen macht eine wegwerfende Handbewegung. „Sie müssen meinem Mann
nicht alles glauben. Er übertreibt
gerne. Da hinten in der Ecke dieses Modell, das mit den dunkelbraunen Stäben, das würde mir gefallen.“ „Kann ich
Ihnen gerne zeigen. Aber ich glaube, für
Ihr Alter ist es nicht so geeignet.“ „Was
erlauben Sie sich, junger Mann?“ Berta funkelt ihn an. „Steht an den Betten
dran, für welches Alter sie geeignet sind? Ja?“ „Nein! Natürlich
nicht! Es geht sich nur darum .... es ist eine durchgehende Matratze. Und ich
denke mir, es ist für die Nachtruhe in Ihrem Alter besser, wenn jeder seine
eigene Matratze hat. Bei dieser Bettbreite gibt es leider keine zweiteilige
Matratze.“ „Hast du
das gehört, Albert? Nun sag doch auch einmal etwas dazu. Stehst da, als ob dich
die ganze Sache nichts anginge.“ „Du redest
ja die ganze Zeit, Berta. Aber ich finde, der Verkäufer hat recht. Also mit dir
auf einer durchgehenden Matratze ? Das hält kein Mensch aus. Das Bett ist für
uns völlig ungeeignet.“ „Vielleicht
überlegen Sie beide sich noch einmal , was für ein Bett es nun sein soll.“ Der Verkäufer
hantiert genervt an seiner Krawatte. „Ich hätte
da eine Idee, wie Sie Ihr ideales Bett bekommen könnten?“ „Und? Ich
höre!“ Frau Hansen reißt die Augen weit auf. „Sie
suchen einen Schreiner auf. Der kann Ihnen Ihr Bett genau so erstellen, wie Sie
es sich wünschen.“ „Das wäre
ja noch schöner! Wir sind hier in einem Möbelgeschäft in der
Schlafzimmerabteilung und sollen zu einem Schreiner gehen, um uns ein Bett
anfertigen zu lassen? Ja – habe ich Sie da richtig verstanden? Ich werde mich
über Sie beschweren! Bei Ihrem Chef persönlich!“ Erbost
wendet sich Frau Hansen ab und will ihren Mann am Arm mit sich ziehen. „Berta!“
spricht er sie jetzt sehr energisch an, „du gehst zu weit. Der Verkäufer hat
sich wirklich die größte Mühe gegeben. Du bist das Problem, weil du mit
keinem Bett zufrieden bist. Wie immer hast du überall etwas zu bemängeln. Wir
sollten uns das „Buchenbett“ noch einmal näher ansehen. Es schien mir sehr
solide und ordentlich verarbeitet.“ Berta
schnauft verächtlich. „Ich kann
Ihnen dieses Modell wärmstens empfehlen. Es ist in der letzten Woche neu herein
gekommen und bei den Kunden bereits der Renner. Wir haben es in den letzten zwei
Tagen schon fünfmal verkauft. Sie würden den Kauf mit Sicherheit nicht
bereuen.“ „Bin ich
nicht so überzeugt.“ Frau Hansen schüttelt den Kopf. „Aber
ich“, antwortet Albert, „Wir sind jetzt durch sieben Möbelgeschäfte
gezogen. Nirgendwo hast du dich entscheiden können.
Jetzt und hier entscheide ich. Basta! Wir nehmen
das Bett.“ Überrascht
und vor Erstaunen sprachlos, blickt Berta ihren Albert an. So lebhaft und erregt
hatte sie ihn schon lange nicht mehr erlebt. Ihr bleiben die Worte im Hals
stecken. Als sie sich wieder beruhigt, macht sie dennoch keine Anstalten, ihren
Mann vom Kauf des Bettes abzuhalten. Während
Herr und Frau Hansen das Geschäft endlich verlassen, denkt der Verkäufer an
das allzu wahre Sprichwort – Wer die Wahl hat , hat die Qual - , wobei er tief
durchatmet. |