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Ben ist der Allerbeste

 

Verträumt schaut Maren aus dem Busfenster und verfolgt die Regentropfen, die in kleinen Rinnsalen an der Fensterscheibe herunter laufen.

„Träumst du, Maren? Ich habe dich schon dreimal gefragt, was du heute Abend machst.“

Bea beugt sich leicht vor und greift Maren’ s rechten Arm.

„Hallo, wo bist du? Wieder bei Ben?“

Maren wendet sich ihrer Freundin zu.

„Ja, oh ja. Er ist einfach wunderbar und so lieb. Du müsstest ihn erleben, wenn ...“

„Ach!" seufzt Bea. „ Da kann man ja direkt neidisch werden. Es muss schön sein, sich so gut zu verstehen, wir ihr beiden es tut. Das gibt es so oft nicht.“

„Ich weiß“. Maren lächelt versonnen. „Ich habe einen guten Griff getan und enormes Glück dabei gehabt.“

„Wo hast du ihn eigentlich kennen gelernt?“

„Du glaubst es nicht, es war auf der Straße. Er lief mir über den Weg, sah mich mit seinen großen Augen an – und  - es war um mich geschehen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Es war eben Liebe auf den ersten Blick.“

„Wie schön, richtig romantisch. Hört sich an, wie in einem dieser kitschigen Filme. Wenn du nicht meine beste Freundin wärst, würde ich es nicht glauben.“

Maren lehnt sich entspannt zurück und  beobachtet wieder den Regen, der unablässig fällt.

„Heute werden wir uns wohl kaum im Park vergnügen können, schade. Es ist immer so schön, wenn wir auf der großen Spielwiese miteinander tollen. Davon kann er gar nicht genug bekommen. Und ich auch nicht.“

„Habt ihr denn da keine Zuschauer?“ Bea runzelt die Stirn. „Also ich weiß nicht, ob mir das gefallen würde -  vor Publikum. Und es stört keinen von euch beiden?“

„Nein, wieso denn auch? Es ist doch eine Wiese für jeden. Den größten Spaß hat Ben, wenn er sich auf dem Rücken im Gras wälzt.“

„Waaas?“ Bea starrt Maren ungläubig an. „Er wälzt sich auf dem Rücken liegend auf dem Rasen? Sag mal, spinnt der?“

„Wie kommst du denn darauf? Es gefällt ihm eben gut. Die Leute, die vorüber gehen, bleiben stehen und schauen ihm zu.“

„Sie bleiben was? Stehen? Sie sehen diesem Treiben noch zu? Nicht zu fassen.“

„Welchem Treiben? Es sieht doch wirklich lustig aus. Und Ben ist so nett anzusehen, wenn er seine Spielchen treibt.“

„Spielchen treibt? Also Maren, langsam habe ich das Gefühl, bei dir stimmt irgendetwas nicht so ganz. Bist du in Ordnung?“

Maren lacht.

„Bea, was soll denn daran nicht gut sein? Ben ist von allen, die ich kenne, der Beste. So viel Freude, wie mit ihm, hatte ich noch mit keinem anderen vorher.“

„Aha, hattest du also nicht! Na, wenn du es sagst. Dann stelle mir doch den Wunderknaben einmal vor, ja?“

„Gern, Bea. Komm doch einfach kurz mit zu mir nach Hause. Er wartet dort schon ganz ungeduldig auf mich. Er kann es kaum abwarten, bis ich ihn umarme und streichele.“

Bea atmet tief durch und schüttelt den Kopf.

„Der muss es aber dringend nötig haben. Meine Güte, Maren! Und für so einen Mann kannst du dich begeistern? Verstehen kann ich dich – ehrlich gesagt – nicht so ganz.“

„Tja, du wirst bestimmt deine Meinung ändern, wenn er vor dir steht und dir tief in die Augen schaut. Du wirst gar nicht anders können, als ihn gleich lieb zu haben.“

„Was? Liebhaben? Auch das noch. Maren, du solltest mich so gut kennen und wissen, mir passiert so etwas nicht, auf jeden Fall nicht so schnell.“

Maren sieht die Freundin schmunzelnd von der Seite an.

Sie wird sich Hals über Kopf in ihn verlieben. Ben gewinnt jedes Herz im Flug. Auch Bea’ s.

An der nächsten Haltestelle steigen die beiden Freundinnen aus.

Die letzten Minuten bis zu Maren’ s Wohnung schweigen sie.

Was wird mich wohl erwarten? geht es Bea durch den Kopf. „Wie mag er wohl aussehen? Eigentlich hat Maren doch in Bezug auf Männer einen recht guten Geschmack. Vermutlich sieht er blendend aus, hat aber einen Tick. Ja, so wird es sein, da bin ich mir sicher. Er kann ja nicht normal sein.

„So, da wären wir.“

Maren öffnet die Haustüre. Ihre Wohnung liegt in der zweiten Etage.

Als sie die zweite Treppe hinauf kommen, hören sie ein leises Jaulen.

„Och“, entfährt es Bea, „hat dein Etagennachbar einen Hund?“

Maren schüttelt den Kopf.

„Mein Nachbar nicht, aber ich.“

„Du hast einen Hund?“ staunt Bea. „Und du hast mir nichts erzählt?“

„Ich erzähle dir die ganze Zeit davon. Es ist ein ganz junger Jagdhund. Er lief hier auf der Straße ganz allein herum. Ich habe überall nachgefragt, aber niemand kannte ihn. Da habe ich ihn bei mir aufgenommen.“

„Und was sagt Ben dazu? Mag er Tiere?“

„Ich denke schon“, bemerkt Maren grinsend.

„Wie – du weißt es nicht genau? Er ist doch hier mit dem Hund in deiner Wohnung:“

„Nein.“

„Wie bitte?“ Bea starrt die Freundin mit offenem Mund an. „Sag das jetzt noch einmal, ich habe wohl nicht richtig verstanden.“

„Klar, du hast es richtig verstanden. Ben ist allein in der Wohnung und erwartet mich sehnsüchtig. Der kleine Kerl mag nicht gern alleine sein.“

„Der kleine Kerl? Sag bloß – der kleine Kerl ist  Ben? Und Ben ist ein Hund? DEIN Hund?“

„Ja. Ja genau so ist es. Was hast du denn gedacht? Ben sei ein Mann?“

Maren bricht in schallendes Gelächter aus und Bea stimmt mit ein.

„Jetzt verstehe ich auch dein Entsetzen über Ben’ s Späße im Park,“ prustet sie los.

Als Maren die Wohnungstür öffnet, wird sie sogleich stürmisch von Ben begrüßt.

Bea streichelt ihm über sein weiches Fell und schließt ihn, ebenso wie Maren, sogleich in ihr Herz.

 

 

© Helga Salfer