Gelegenheit
macht Diebe ... An
einem warmen, sonnigen Sommertag saßen meine Mutter und ich auf der
Terrasse beim Mittagessen. Wir
genossen das herrliche Wetter und die appetitlich aussehenden,
knusprigen Hähnchen auf unseren Tellern. Plötzlich
setzte sich eine Wespe direkt auf meinen Teller. Erschrocken wich ich
zurück. Mit
einer Serviette versuchte ich, sie zu vertreiben. Aber sie blieb hartnäckig
und flog immer wieder frech auf meinen Teller zurück. „Leg
mal ein Stück Hähnchenfleisch auf den Tisch. Vielleicht kannst du sie
mit dem Happen vom Teller weg locken. Dann erschlagen wir sie mit dem
Glasuntersetzer“, forderte meine Mutter mich auf. „Klingt
irgendwie brutal, aber ich habe keine andere Chance, oder?“ Vorsichtig
balancierte ich das Fleischstück auf den Tisch. „Oh,
mein Gott!“ Entsetzt sah ich zu meiner Mutter herüber. Wütend
schlug ich mit der flachen Hand auf den Tisch. Durch
die Erschütterung hatten sich die beiden Störenfriede wohl recht belästigt
gefühlt, denn im nächsten Moment erblickten wir sie nirgends mehr. „Wo
sind sie hin?“ Meine Mutter runzelte die Stirn. Gemeinsam
suchten wir den Tisch nach den beiden Wespen ab. „Wenn
wir euch erwischen, dann .. ‚Gnade
euch Gott’“, knurrte ich. „Da!
Da in den Blumen sitzt eines der Biester. Und das andere Vieh kreist
jetzt genau über deinem Kopf, Helga. Pass auf!“ Blitzschnell
sprang ich auf und lief zum anderen Ende der Terrasse. Während
meine Mutter darauf bedacht war, das in den Blumen sitzende Ungeheuer zu
verscheuchen, und ich
versuchte, mich vor der lästigen
Wespe zu retten, blieb der Tisch für einen Augenblick unbeachtet. Flugs
sprang das schwarzweiße Fellbündel auf den Terrassentisch und
schnappte sich in Windeseile einen großen Teil des noch fast unberührten
Hähnchens. Durch
unsere Unachtsamkeit hatten wir unserem Kater Moritz zu einem wahren
Festschmaus verholfen. Zuerst
blickten wir uns sprachlos vor Entsetzen an, mussten kurze Zeit später
aber doch schmunzeln, als wir Moritz im Gebüsch genüsslich seinen Fang
vertilgen sahen. Von
den Wespen war übrigens keine Spur mehr zu sehen ... ©
Helga Salfer |