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Montagmorgen gegen halb elf kehrt Herr Brandner bei strahlendem Sonnenschein
auf dem Weg zu seiner Haustüre das Herbstlaub zusammen. Es ist eine
seiner Lieblingsbeschäftigungen, der er mit großer Hingabe nachgeht.
Sorgfältig fährt sein Besen mit den kräftig roten Borsten in jeden
Winkel, um auch das kleinste Blättchen zu erfassen. So
vergehen gut und gerne dreißig Minuten, bis der Boden so sauber ist,
dass davon gegessen werden könnte. Mit
hochrotem Kopf und leicht geöffnetem Mund – vor Freude und Stolz wohl
bemerkt – betrachtet Herr Brandner nochmals gute sechs bis sieben
Minuten lang sein Werk, wobei er den Besenstiel mit beiden Händen fest
umklammert hält. Bevor
er ihn endgültig neben die Haustüre platziert, geht er noch zweimal
den gekehrten Bereich vor seiner Eingangstüre ab, bückt sich hier und
da, um ein liegen gebliebenes Blattstielchen aufzuheben. Er
nickt sich dabei ganz kurz selbstzufrieden zu und murmelt ein paar
unverständliche Worte. Nachdem
er nun die Blätter in seine riesige Biotonne geworfen hat, prüft er
kritisch die Sohlen seiner groben Gartenschuhe. Mit
leicht gekräuselter Nase äußert er seinen Missmut darüber, was er
darunter entdeckt zu haben scheint. Kurz entschlossen
stampft er ein paar Mal wie ein Pferd mit seinen Hufen mit beiden Füßen
auf den Boden. Als sich kleine Dreckkrümmelchen aus den Profilen seiner
Sohlen lösen und auf den frisch gekehrten Weg fallen, stemmt er kopfschüttelnd
beide Hände in die Hüften und schaut verdattert auf den frischen
Dreck. Ohne
große Umschweife greift er erneut zu seinem geliebten Besen. Mit
Leidenschaft umfasst er ihn, während die harten Borsten kratzend die
kleinen Erdklümpchen erfassen. Herr
Brandner holt kräftig aus und befördert die Erde zügig an die
Begrenzungssteine des Nachbargartens. Mit dem linken Fuß schiebt er die
Erde ein wenig fester an die Steine, bevor er sie dann ganz schnell fest
tritt und sich zufrieden abwendet. Mit
wenigen Schritten ist er wieder vor seiner Haustüre angekommen und
stellt den Besen zurück an seinen Platz. Bevor
er ihn ganz los lässt fällt es ihm wieder ein, wie froh er vor ein
paar Wochen gewesen war, als man ihm die Sommerblumen aus seinem
Blumenkasten gestohlen, den Besen aber unversehrt hatte stehen lassen. Natürlich
hatte es ihn und seine Frau maßlos geärgert, wie die Diebe gewütet
hatten. Dennoch war ihm eine Zentnerlast von der Seele gefallen, als er
seinen Besen unversehrt vorgefunden hatte. Er
wirft nochmals einen liebevollen, wohlwollenden Blick auf sein bestes Stück
– den Besen, bevor er seine schweren Schuhe auszieht, die Haustüre
aufschließt und im Haus verschwindet. Froh
und glücklich steht er kurze Zeit später am Küchenfenster und
betrachtet mit großer Zufriedenheit seine Arbeit. ©
Helga Salfer |