Wisst ihr noch  aus eurer Kinderzeit ....

.... wie es am  ‚Heiligen Abend’ war?

Zwei Wochen vor Weihnachten sperrten meine Eltern in jedem Jahr ein Zimmer in unserem Haus zu. Dort versteckten sie die Geschenke für meine Schwester und für mich, weil sie aus der Erfahrung wussten, wir würden, wenn wir alleine wären, alle Zimmer und Schränke durchsuchen.

Heimlich schlichen wir uns immer wieder auf Zehenspitzen zur geheimnisvollen Tür und versuchten, durch’ s Schlüsselloch etwas zu erspähen. Aber so sehr wir uns auch anstrengten und unsere Augen bemühten, es war vergeblich. Ich glaube, unsere Eltern hatten unsere unbändige Neugierde mit eingeplant!

Unsere Spannung und Ungeduld, ob unsere Wünsche auf unseren Wunschzetteln in Erfüllung gehen würden, wuchsen bis ins Unendliche.

Am Morgen des 24. Dezember freuten wir uns ungemein auf die Bescherung.

Bereits nach dem Frühstück durften wir das Wohnzimmer nicht mehr betreten. Mein Vater schmückte dort den Weihnachtsbaum mit viel Sorgfalt und Liebe. Er behängte ihn mit bunten Kugeln, Lametta und vielen Süßigkeiten. Zum Schluss bestückte er ihn mit echten Kerzen.

Auf einem großen, mit einer weißen Tischdecke gedeckten Tisch fanden die bunt eingepackten Weihnachtspäckchen und die Weihnachtsteller mit Süßigkeiten ihren Platz.

Die Zeit bis zur Bescherung schien endlos. Wir versuchten sie mit Spielen, Bücher lesen, Schallplatten oder Radio hören zu verkürzen. Meinen Eltern schien die Zeit viel zu schnell umzugehen - sie waren den ganzen Tag mit Vorbereitungen beschäftigt.

Endlich meinte meine Mutter am späten Nachmittag es sei nun an der Zeit, uns für die Bescherung um 17.00 Uhr umzuziehen.

Freudig erregt hüpften wir in unser Zimmer und schlüpften  in unsere Sonntagskleider. Jetzt konnten wir es überhaupt nicht mehr abwarten,  ins Wohnzimmer gerufen zu werden.

Dann war der große Moment da!

Mit großen Augen traten wir ins Weihnachtszimmer und bestaunten den hell erleuchteten Tannenbaum. Überwältigt von dem Lichterglanz und dem Tannenduft konnten wir es uns dennoch nicht verkneifen, einen 'verstohlenen'  Blick auf unsere Geschenke zu werfen.

Mein Vater stimmte mit uns ein Weihnachtslied an. Meine Mutter begleitete uns auf dem Klavier.

Nochmals wurde unsere Geduld durch das Liedersingen auf eine harte Probe gestellt.

 

Nach dieser Zeremonie durften wir nun endlich unsere Geschenke ansehen. Begeistert packten wir ein Paket nach dem anderen aus. Die Freude war groß, wenn unsere Wünsche, die wir Wochen vorher auf einem Wunschzettel an das Christkind aufgeschrieben hatten, erfüllt worden waren.

Nach der ausgiebigen Bescherung aßen wir zu Abend. Es herrschte stets eine heitere Stimmung, und wir alle genossen beim Anblick der brennenden Kerzen den ‚Heiligen Abend’ in vollen Zügen.

Später  zündete mein Vater einige Wunderkerzen am Baum an, die wir entzückt beim Abbrennen beobachteten.

 

© Helga Salfer



Der Weihnachtsbaum

 

 

Mit großen Augen bestaunen Felix und Jule die Tannenbäume, die auf dem Gelände des Gartencenters verkauft werden.

„Die sind aber schön. Schau mal, Papi, der da vorne in der ersten Reihe, sollen wir den nehmen? Er gefällt Mami bestimmt auch gut“

Felix läuft zu dem Baum hin und versucht, ihn aufzurichten. Seine kleinen Hände zupfen ungeduldig an den Ästen.

„Er ist viel zu groß, Felix. Obwohl, du hast Recht, es ist ein stattlicher Baum. Aber die Mami hat auf einer kleinen Tanne bestanden, die wir – wie jedes Jahr – auf unsere Kiste stellen wollen.“

„Och, Mensch, wie schade!“ Jule zieht ein Grimasse. „Immer so einen kleinen Baum. Sabine’ s Eltern kaufen einen riesengroßen, der geht fast bis unter die Decke und steht auf dem Fußboden.“

„Warum steht unserer nicht auch auf dem Boden und ist 2 m hoch?“ Felix schaut seinen Vater fragend an. „Alle Familien kaufen große Bäume, nur wir nicht.“

„Alle Leute? Woher weißt du das denn“, wirft der Vater lachend ein. „Ein Baum ist nicht schön durch seine Größe. Er muss einen ansehnlichen Wuchs vorweisen können mit gleichmäßig verteilten, weit ausgreifenden Zweigen. Was nutzt da ein langer Baum, der oben kaum mehr Zweige hat?“

Felix tritt mit dem Fuß einen kleinen Stein zur Seite und scharrt mit der Fußspitze seines Stiefels in den weichen Boden.

„Warum stehen denn hier nur große Bäume, Papa?“ Jule fährt mit dem Zeigefinger die lange Reihe der Bäume entlang.

„Passt auf, die kleinen, schön gewachsenen, stehen mittendrin. Wir haben eben keinen Platz für einen solch riesigen Baum. Ein kleiner hat in jedem Jahr hübsch ausgesehen. Wir stellen die vordere Reihe mit den großen Tannen etwas zur Seite. Bestimmt kommen dann die wahren Schätze erst zum Vorschein.“

Felix zuckt leicht mit den Schultern, während Jule ihm einen zweifelnden Blick zuwirft.

„Kommt mal her, ihr Beiden! Wie findet ihr diesen Baum?“

Der Vater zerrt eine kleine Tanne hervor, die kaum größer als Felix ist.

Die Kinder schauen sich mit offenem Mund an.

„Papa, der ist viel zu klein. Der passt ja auf meinen Schreibtisch. Das ist doch kein Weihnachtsbaum!“

Jule starrt ihren Vater entsetzt an.

„Der ist ja kaum größer als du, Jule“, kichert Felix. „Da können wir gleich dich auf die Weihnachtskiste stellen und mit Kugeln und Lametta schmücken!“

„Pah!“ entfährt es Jule. „Du bist so viel größer auch nicht. Tragen kannst du ihn jedenfalls nicht!“

„Nun streitet euch nicht, Kinder. Vielleicht ist dieser wirklich ein bisschen zu mickrig. Seht euch den daneben an. Wartet, ich hole ihn heraus, dann können wir ihn besser von allen Seiten ansehen.“

Felix und Jule schütteln den Kopf und ziehen die Mundwinkel dabei leicht nach unten.

„Oh je, ihr seid aber kritische Kunden. Dann suchen wir eben weiter.“ Lächelnd betrachtet er seine beiden Nörgler.

„Ich will einen großen Baum.“ Jule sieht ihren Vater ernst an.

„Ich auch“, erwidert Felix

„Kinder, ich habe es euch erklärt, es geht nicht!“

Felix kneift für einen Moment die Augen zusammen und runzelt die Stirn.

Jule sieht ihn erwartungsvoll an.

Sie weiß, wenn Felix so dreinschaut, hat er meistens eine brillante Idee.

„Und?“ flüstert sie ihm leise zu. „Was ist dir eingefallen? Nun sag schon, bevor Papi sich für den kleinen Zwerg entscheidet.“

„Papi?“ Felix zieht seinen Vater am Mantelzipfel.

„Ja, Felix? Sollen wir den hier nehmen? Er ist doch wunderbar gewachsen, so gleichmäßig und dicht!“

Felix schüttelt den Kopf. Er druckst ein wenig verlegen herum. Jule stupst ihn ungeduldig an.

„Nun lass schon hören“, zischt sie ihm zu.

„Papi, wir könnten doch den großen Baum nehmen und ihn ein wenig unten absägen. Dann wäre er ja kleiner. Du kannst ihn ja so sägen, dass er auf der Kiste stehend bis an die Zimmerdecke reicht, ja?“

Der Vater dreht sich zu ihm um und schaut seinen Sohn lächelnd an.

Keine schlechte Idee, geht es ihm durch den Kopf. Hätte ich auch drauf kommen können.

Wortlos nickt er Felix und Jule zu.

„Es ist aber schade um die schönen breit ausladenden Zweige ganz unten am Stamm. Was meint ihr?“

„Da können wir schön die Kiste mit verzieren, Papi“, schwärmt Jule. „Das sieht sicher toll aus.“

„Ja, so denke ich es mir auch.“ Felix zerrt bereits wieder an dem großen Baum.

„Warte, warte, Felix. Vorsichtig, sonst knickst du die Zweige.“

Der Vater nimmt eine herrliche, kerzengerade gewachsene Tanne heraus.

„Der ist genau richtig. Ja! Den wollen wir haben.“

Jule springt vor Begeisterung von einem Bein auf das andere. Felix Blick hängt fragend an den Lippen des Vaters.

„Fast zu schade zum Absägen“, murmelt der Vater vor sich hin. „Vielleicht sollten wir den Baum so belassen.“

„Sagen wir schon die ganze Zeit“, fallen ihm Felix und Jule ins Wort.

„Ihr habt mich überzeugt. Ein großer Baum sieht wirklich prächtiger aus.“

Jule blinzelt Felix zu, was so viel bedeutet wie:

Gut gemacht, großer Bruder!

 

© Helga Salfer

 

 

In letzter Minute

„Was schenken wir denn nun der Omi zu Weihnachten?“ fragt Norman seine Mutter ungeduldig.

„Jetzt ist es ja schon fast zu spät! Immer habt ihr gesagt,  dass euch schon etwas einfallen wird. Aber nun ist Heiligabend und das Geschenk für die liebe Omi ist immer noch nicht da!“

„Ja, ich weiß, die Omi hat aber auch immer wieder beteuert, dass sie sich nichts wünscht. Sie erwartet ja gar kein Geschenk von uns!“

„Ich finde aber, wir hätten ihr trotzdem etwas schenken sollen!“

„Und was? Jetzt ist es sowieso zu spät! Sieh mal auf die Uhr!“

„Halb elf! Bis zwölf Uhr haben die Geschäfte doch geöffnet, oder?“

„Schon! Aber was willst du denn kaufen?“

„Ach, die Omi ist soviel alleine, vielleicht fände sie ein bisschen Gesellschaft schön!“

„Gesellschaft? Woran denkst du denn,  Norman?“

„An einen Vogel! Der würde die Omi mit seinem Zwitschern unterhalten und sie wäre nicht mehr so einsam!“

„Aber um so ein Tier muss man sich auch kümmern, Norman. Der Vogel braucht regelmäßig Futter, der Käfig muss gesäubert werden ...“

„Weiß ich“, fällt Norman ihr ins Wort. „Ich helfe der Omi dabei, ganz bestimmt!“

„Die Idee ist gar nicht schlecht!“ Herr Fink, der gerade ins Zimmer tritt, betrachtet seinen Sohn nachdenklich.  „Wir hätten uns nur eher drum kümmern müssen. Dieses Jahr klappt das sicher nicht mehr. Die Geschäfte schließen gleich!“

„Erst in einer Stunde, Papi! Lass uns schnell in die Stadt fahren. Die Zoohandlung hat bestimmt noch einen Vogel für uns!“

„Um die Zeit kriegen wir nirgendwo einen Parkplatz, Norman. Was glaubst du, wie viele Leute noch unterwegs sind und letzte Besorgungen machen, gerade in der letzten Minute. Vergiss es!“

„Lass es uns versuchen! Bitte!“ drängt ihn Norman. „Vielleicht haben wir ja Glück. Die Omi würde sich bestimmt riesig freuen!“

Frau Fink wirft ihrem Mann einen vielsagenden Blick zu.

„Na gut, Norman! Ich habe zwar nicht viel Hoffnung. Versuchen wir es. Du hast ja Recht. Die Idee mit dem Vogel ist nicht schlecht. Aber die Zeit ist verdammt knapp!“

Gegen halb zwölf erhaschen Norman und sein Vater mit viel Glück einen Parkplatz in der immer noch gut besuchten Innenstadt. 

Als sie die Zoohandlung in der Fußgängerzone erreichen, ist es bereits viertel vor zwölf. Am Eingang steht dick – Heute bis 12.00 Uhr geöffnet!

Neugierig sieht Norman sich in dem Tiergeschäft um.

Enttäuschung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

Die haben keinen Vogel mehr für die Omi, denkt er enttäuscht.

„Was suchst du denn?“ hört er die Stimme des Verkäufers dicht neben sich sagen.

„Einen kleinen Vogel, aber Sie haben keinen mehr. Ich sehe es schon!“

„Ja, du kommst ein bisschen spät! Vor ein paar Tagen hatte ich noch einige schöne Tiere da. Aber ....“

„Ich verstehe. Es ist zu spät. Ich dachte, Sie hätten vielleicht ...“

„Warte mal!“ Der Mann verschwindet in einem hinteren Zimmer.

„Sei nicht traurig, Norman. Ich habe es dir ja gleich gesagt, dass es zu spät ist.“

Tröstend legt der Vater seinem Sohn den Arm um die Schulter.

„Aber es wäre schön gewesen. Die Omi hätte sich bestimmt gefreut!“

„Wie gefällt dir denn dieses Tier hier?“ Der Verkäufer hält einen kleinen Käfig in der Hand, in dem ein wenig ängstlich ein Hamster hockt.

Normans Augen leuchten. Er schließt den putzigen Hamster mit seinen schwarzen Knopfaugen sogleich in sein Herz.

„Oh ja!“ ruft er begeistert aus. „Der wird der Omi gefallen. Sie kann ihn in die Hand nehmen und streicheln, wenn sie es will.“

Norman sieht seinen Vater erwartungsvoll an. Der nickt ihm stumm zu.

„Ich nehme ihn!“ sagt Norman glücklich.

„Beim nächsten Mal kommst du einfach ein paar Tage früher her, ja?“ Der Verkäufer schaut Norman lächelnd an.

„Hm“, murmelt Norman leise.

Nachdem sie noch Futter für den Hamster gekauft haben, verlassen Vater und Sohn zwei Minuten nach zwölf die Tierhandlung.

Kopfschüttelnd verschließt der Besitzer hinter den Beiden die Türe.

Es ist doch jedes Jahr dasselbe. Die Leute müssen einfach in der letzten Minute ihre Einkäufe tätigen und sogar noch Geschenke kaufen.

Das wird sich vermutlich niemals ändern!

 

  ©  Helga Salfer